5. Newsletter 2021/22

Sehr geehrte Mitglieder der Schulöffentlichkeit,

sehr geehrte ehemalige Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen,

zwei Wochen vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus soll eine Schulgesetzänderung vorgenommen werden, die weitreichende Auswirkungen auf die Arbeit der Berliner Schulen haben wird. Da ich der Pressemitteilung der Schulleitungsverbände „Die Berliner Schulen enden im Chaos“ keine eigene Einschätzung hinzufügen muss, nehmen Sie bitte die beiliegende Mail zur Kenntnis.

Mit freundlichen Grüßen,

Steiner
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Sehr geehrte Pressevertreter*innen,

 

die Vertreter*innen der Regierungsfraktionen im Hauptausschuss haben am 08.09.21 dem vom Bildungsausschuss stark veränderten Entwurf der Schulgesetzänderung zugestimmt und dem Abgeordnetenhaus zur Abstimmung (16.09.21) vorgelegt. Anstatt die von der Köllerkommission vorgeschlagene Änderung beim MSA am Gymnasium (keine Prüfung auf dem Niveau von Klasse 9 in der 10. Klasse am Gymnasium) zu beschließen, enthält die Vorlage mehrere Punkte, die eine sinnvolle Arbeit an den Schulen erheblich erschweren oder sogar unmöglich machen:

 

  • 7 Absatz 2a: Hiermit wird diedigitale Schulentwicklungkomplett lahm gelegt. Es muss nun jedes Update einer Software in der Schule von der Senatsverwaltung überprüft werden, bevor die Schulen eine Software weiter nutzen dürfen. Über allen von den Schulen bisher angeschafften Softwareprodukten schwebt das Damoklesschwert einer Nichtzulassung. Die Schulen haben keine Möglichkeit mehr eine Software selbstständig auszuwählen. Jede Software muss beantragt werden. So kann Bürokratie Entwicklung verhindern.

 

  • 41Ruhen derSchulbesuchspflicht: Bei diesem Paragraphen habe ich erhebliche Zweifel, ob dies mit dem Datenschutz vereinbar ist. Eine Schüler*in, z.B. mit physischen Problemen muss nun in der Klassenkonferenz (Lehrkräfte, Eltern- und Schüler*innenvertreter*innen) ein ruhen ihrer Schulbesuchspflicht beantragen und das Gutachten der Schulpsycholog*in offenlegen. Ich halte es für unzumutbar, dass sich die Kinder vor so einer großen Gruppe entblößen müssen und jemand entscheidet (Schulaufsicht), der die Schüler*in nicht mal ansatzweise kennt.

 

  • 76 Absatz 1 Personal- und Sachmittel: Hiermit wird die organisatorische Arbeit einer Schule komplett lahmgelegt. Die Schulkonferenz entscheidet nun über die Verwendung der Personal (!!!)- und Sachmittel. Ein Gremium das 4x im Jahr tagt. Hier zeigt sich auch wie unglaublich schlecht die Vorlage ist. Im aufgeführten § 7 gibt es auch nach der Änderung des Schulgesetzes keinen Absatz 7. Der in §7 eingefügte Absatz wird mit (2a) eingefügt. Man kann jetzt rätseln welche Absätze wohl gemeint sein sollen. Es wird der „alte“ Absatz 3  gemeint sein und damitentscheidet dieSchulkonferenz über Einstellungen von Vertretungslehrkräften. Da hängen so viele Entscheidungen im Vorfeld dran, dass ich keine Idee habe, wie dies in der Praxis umgesetzt werden kann. Die Schule kann so nicht mehr geführt werden.

 

  • 84a Klassenrat: Durch die Konstruktion dieses Paragraphen wird das eigentlich gute Instrument des Klassenrates zu einem nicht praktikablen Konstrukt. Die Schüler*innen in Berlin habeneine Stunde weniger Unterricht in der Woche. Die Lehrkräfte und die Schulleitung kümmern sich nun um die klasseninternen Problemen, anstatt um die Schule oder ihren Unterricht. Es entsteht einriesiger Vertretungsbedarf (eingeladene Lehrkräfte haben ja auch noch anderen Unterricht).

 

Die VOB fordert die Abgeordneten der Regierungsfaktionen auf, diesem Beschluss in der vorliegenden Fassung auf keinen Fall zuzustimmen. Damit wird der Unterricht der Berliner Schüler*innen um eine Stunde die Woche gekürzt, Vertretungsunterricht erhöht, schutzbedürftige Schüler*innen entblößt, die digitale Schulentwicklung beendet und eine Bewirtschaftung der Personal- und Sachmittel quasi unmöglich. Die Schulen sind dann mit sich selbst beschäftigt und können sich nicht mehr um die eigentliche Unterrichtsentwicklung kümmern. Die Berliner Schulen fallen weiter gegenüber den Schulen in anderen Bundesländern zurück.

 

Im Anhang finden Sie die vorgelegte Schulgesetzänderung der bildungspolitischen Sprecher*innen über die im Abgeordnetenhaus beraten wird. Außerdem ist dort eine gemeinsame Presseerklärung fast aller Schulleitungsverbände in Berlin hinterlegt, in der weitere praktische Beispiele zu den aufgeführten Punkten genannt werden.

 

Vielen Dank schon im Voraus für Ihre Aufmerksamkeit auf dieses für die Schulen hochbrisante Thema.

 

Herzliche Grüße

Arnd Niedermöller

Sprecher der VOB e.V.

Schulleiter

Immanuel-Kant-Gymnasium (11Y11)

Lückstr. 63

10317 Berlin